Tarifabschluss 2023

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Die Umsetzung der Regelungen zur Entlohnung von SHK und WHK ist am 14.03.24 erfolgt. Ein besonderes Schmankerl: Die bundesweite Richtlinie zur Entlohnung, die zum genannten Datum vom Freistaat Sachsen umgesetzt worden ist, hat zwar formal die unterschiedlichen Tarifgebiete Ost und West abgeschafft, orientiert ihre Lohnvorgaben aber weiterhin an der in Westdeutschland im öffentlichen Dienst üblichen 38,5 h Arbeitswoche. In Sachsen gilt hingegen eine Arbeitswoche von 40 h. Grund genug für das Sächsische Finanzministerium, Trick 17 aus der Mottenkiste zu holen und den Stundenlohn zum Nachteil der Beschäftigten umzurechnen, so dass die Tarifgebiete Ost und West de facto bestehen bleiben.

Haltet euch fest und schnallt euch an, das geht so: Wer in einer Woche 38,5 h zu einem Stundenlohn von 13,25 € arbeitet, verdient 510,13 €. In Sachsen muss in einer Woche aber regulär 40 h gearbeitet werden. Also teilt man die 510,13 € flugs durch 40 h und erhält einen Stundenlohn von 12,75 €. Also kurz zusammengefasst – weil in Sachsen mehr gearbeitet wird, ist der Stundenlohn kleiner – ist doch logisch, oder etwa nicht?

Nachdem die Vernunft irgendwo entlang des Weges verloren gegangen ist, standen im Endergebnis also 12,75 €/h für SHK und 13,31 €/h für WHK mit Bachelor-Abschluss auf dem Papier. Nur blöd, dass man damit gegen die Tarifeinigung verstoßen würde, die 13,25 €/h als Mindestgrenze vorschreibt. Die Tarifeinigung sticht die krude Rechnung des Ministeriums, SHK bekommen demnach 13,25 €/h – wir kennen es bereits vom Mindestlohn, der seit Oktober 2022 auf ähnliche Weise den SHK-Stundenlohn ausgestochen hat. Damit ist der hart erarbeitete Bachelor-Abschluss noch großzügige 0,06 €/h mehr wert als das Abitur. So hat das Ministerium nun in den sauren Apfel gebissen und erstmals den Sächsischen Hochschulen die Möglichkeit eröffnet (die es bundesweit schon lange gibt), den regulären WHK-Stundenlohn um bis zu 10 % zu überschreiten.

 

An der TU Freiberg gelten ab 01.04.2024 also folgende Stundenlöhne:

13,25 € für studentische Hilfskräfte ohne Abschluss

14,64 € für wissenschaftliche Hilfskräfte mit Bachelor-Abschluss

(19,89 € für wissenschaftliche Hilfskräfte mit Master-Abschluss) -> dieser Personalkategorie ist aber die reguläre Anstellung als wissenschaftlicher Mitarbeiter vorzuziehen!

 

Und ab 01.04.2025:

13,98 € für studentische Hilfskräfte ohne Abschluss

15,44 € für wissenschaftliche Hilfskräfte mit Bachelor-Abschluss

(21,00 € für wissenschaftliche Hilfskräfte mit Master-Abschluss)

 

Theoretisch mögliche Jahressonderzahlungen oder auch die Überschreitung des regulären SHK-Stundenlohns um bis zu 10 % wird es weiterhin nicht geben.


Tarifinfo Dezember 2023

Am 09.12.2023 wurde in den Tarifverhandlungen über den öffentlichen Dienst der Bundesländer zwischen den Gewerkschaften GEW und ver.di (Arbeitnehmervertreter) sowie der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (kurz TdL; Arbeitgebervertreter) eine Einigung erzielt, die erstmals auch vertragliche Regelungen zu studentischen Beschäftigten beinhaltet!

Dieses Ergebnis wurde durch die bundesweite TV-Stud-Bewegung erst ermöglicht. In dieser organisieren sich studentische Beschäftigte seit 2019 und kämpfen für ein Ende der prekären Arbeitsbedingungen studentischer und wissenschaftlicher Hilfskräfte durch die Aufnahme in den Tarifvertrag der Länder (TV-L). Denn die bundesweit etwa 300.000 studentischen Beschäftigten bilden derzeit noch die größte Tariflücke im öffentlichen Dienst, geprägt von kurzen Vertragslaufzeiten, Kettenbefristung und Mindestlohnniveau – dabei sind die meisten Studierenden auf ihren Job angewiesen, um ihr Studium überhaupt erst finanzieren zu können. Zugleich leisten die Studierenden an den Hochschulen einen signifikanten Beitrag zum Wissenschaftssystem, der auch entsprechende Wertschätzung erfahren sollte.

Trotz des Arbeitskampfs der vergangenen Monate und entgegen der Zusagen der Landesregierungen ist es nicht gelungen, studentische Beschäftigte in den TV-L aufzunehmen. Besonders erschreckend ist, dass die Regierungen in Brandenburg, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, dem Saarland und Schleswig-Holstein sich im Vorhinein ausdrücklich für die Umsetzung eines Tarifvertrags für studentische Beschäftigte (TVStud) positioniert haben, die Ländervertreter in den Tarifverhandlungen aber einstimmig gegen die Aufnahme von SHK/WHK in den Tarifvertrag gestimmt haben.

 

Ergebnisse

Die erstrittenen Regelungen sind zwar besser als gar nichts, jedoch ohne Zweifel enttäuschend und in gewissen Punkten auch zweischneidig. Hier die Ergebnisse, nachzulesen unter IX. Studentische Beschäftigte in der Tarifeinigung, im Detail.

 

1. Die getroffenen Regelungen gelten für studentische Beschäftigte.

Es gibt also, anders als bisher, keine Differenzierung zwischen studentischen Hilfskräften (SHK, ohne Abschluss) und wissenschaftlichen Hilfskräften (WHK, mit Abschluss). Theoretisch wäre es sogar denkbar, dass Hochschulen unter Berufung auf die Tarifeinigung versuchen könnten, Studierende in Verwaltungstätigkeiten wieder aus der Anstellung nach TV-L rauszuwerfen (siehe Jobben an der Universität) – Das wäre an Unverfrorenheit kaum zu überbieten.

 

2. Die Regelungen wurden als schuldrechtliche Vereinbarung getroffen.

Sie sind damit nicht Teil des Tarifvertrags, andere Regelungen der Tarifeinigung gelten nicht für SHK oder WHK. Schuldrechtliche Vereinbarung bedeutet, dass Beschäftigte ihre Ansprüche aus der Vereinbarung nicht selbst einklagen können. Die Vereinbarung ist zwischen den Gewerkschaften GEW und ver.di auf der einen Seite und der TdL auf der anderen Seite getroffen worden – nur die Vertragspartner, also die Gewerkschaften, können damit die Einhaltung der Regelungen gerichtlich einfordern.

Trotzdem ist dies ein Fortschritt gegenüber der bisher gültigen einseitig von der TdL aufgestellten Richtlinie über die Entlohnung von SHK und WHK.

Übrigens: Da die Regelungen nicht Teil des Tarifvertrags sind, gilt für studentische Beschäftigte auch keine Friedenspflicht während der Laufzeit des TV-L (bis 31.10.2025). Studentische Beschäftigte können also auch vorher schon in den Arbeitskampf, sprich Streik, treten.

 

3. Die getroffenen Regelungen treten am 01.04.2024, also mit Beginn des Sommersemester 2024, in Kraft.

Die vereinbarten Mindestentgelte müssen somit auch auf bestehende Verträge angewendet werden.

 

4. Die Arbeitsverträge werden in der Regel für ein Jahr geschlossen. In begründeten Fällen sind kürzere oder längere Verträge möglich.

Wenn der Arbeitgeber, also die Hochschule, kürzere Arbeitsverträge schließen will, muss sie das gut begründen. Aus der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte ist bekannt, dass zur Begründung z.B. die begrenzte Projektlaufzeit eines Drittmittelprojekts oder die Vertretung einer anderen Person herangezogen werden kann. Begrenzte Haushaltsmittel sind als Begründung unzulässig.

Solltet ihr von der Hochschule einen kürzeren Arbeitsvertrag angeboten bekommen, dann lasst euch die Begründung zur kürzeren Anstellung unbedingt schriftlich geben!

Solltet ihr eurerseits einen kürzeren Arbeitsvertrag wünschen, empfehlen wir, dennoch einen Vertrag über die vollen 12 Monate abzuschließen und entweder fristgemäß zu kündigen oder einen Aufhebungsvertrag zu schließen.

Kritisch sehen wir, dass auch längere Verträge (über 12 Monate) nun ausdrücklich zur Ausnahme gehören sollen. Die Novellierung des sächsischen Hochschulgesetzes 2023 hat uns in Sachsen bereits Mindestvertragslaufzeiten von 6 Monaten für SHK und von 12 Monaten für WHK gebracht, ohne längere Verträge zur Ausnahme zu erklären.

 

5. Der Stundenlohn für studentische Beschäftigte ohne Abschluss beträgt ab Sommersemester 2024 mindestens 13,25 €; ab Sommersemester 2025 mindestens 13,98 €.

Bisher gab die Richtlinie der TdL Höchststundenlöhne für die Gebiete West (alte Bundesländer) und Ost (neue Bundesländer) vor. Die Höchststundenlöhne im Westen waren ca. 5 % höher als die im Osten. Diese Höchststundenlöhne konnten individuell um bis zu 10 % überschritten werden, außerdem bestand die Möglichkeit zur Gewährung von Jahressonderzahlungen. Im Gebiet West ergaben sich damit zuletzt (seit SoSe 23) tatsächliche Höchststundenlöhne von 15,42 € für WHK mit Bachelor und 13,27 € für SHK, die zum Teil auch ausgeschöpft wurden.

In Sachsen haben sich Regierung und Hochschulen landesweit auf einheitliche Stundensätze geeinigt. Von 10 % Spielraum oder Jahressonderzahlungen will man hier natürlich nichts wissen, womit die Löhne zuletzt bei 12,72 € für WHK mit Bachelor und 10,93 € für SHK genau auf dem Minimum im Tarifgebiet Ost standen. Der SHK-Stundenlohn wurde sogar vom gesetzlichen Mindestlohn überholt und ausgehebelt.

Die neuen Mindeststundensätze stellen damit für die sächsischen SHK zumindest eine geringe Nominallohnerhöhung dar. Zur Erinnerung: Der Mindestlohn steigt zum 01.01.24 auf 12,41 €/h und zum 01.01.25 auf 12,82 €/h, womit der Abstand zum Mindestlohn vorerst nicht einmal einen vollen Euro beträgt. Da dem Freistaat Sachsen seine Arbeitskräfte offenbar nichts wert sind, wird er vermutlich weiterhin nur den mindestmöglichen Stundensatz zahlen.

Für studentische Beschäftigte mit Abschluss gibt es theoretisch gar keine Regelung. De facto gilt für diese aber ebenso der Mindeststundensatz, eine geringere Bezahlung lässt sich von der Arbeitgeberseite schlichtweg nicht rechtfertigen. Außerdem sind WHK durch ihren erworbenen Abschluss besser qualifiziert, was einen Lohnabstand zu SHK ohne Abschluss gebietet. Wie genau dieser aussehen wird, ist noch nicht bekannt. Es ist zu erwarten, dass am bisherigen Verfahren festgehalten wird. Sprich, die TdL wird sich auf eine bundesweite Rahmenrichtlinie einigen, die Vorgaben zu den Löhnen von SHK und WHK enthält und die dann durch die Landesregierungen (ggf. unter Beteiligung der Hochschulen) umgesetzt werden muss. Wir bleiben gespannt.

An dieser Stelle sei auf die Worte des sächsischen Finanzministers Hartmut Vorjohann während der Tarifverhandlungen verwiesen: „BAföG und Eltern sollten das Studium finanzieren, nicht die Arbeit an einer Hochschule. Außerdem ist es doch auch eine Ehre, an einer Hochschule arbeiten zu dürfen.“

Wer zu den 89 % der Studierenden ohne BAföG-Förderung gehört und auch nicht von seinen Eltern durchfinanziert werden kann, der kann leider auch nicht mit Ehrgefühl seine Einkäufe oder Miete bezahlen. 2/3 der Studierenden in Deutschland sind auf einen Nebenjob angewiesen. 2021 lebten 38 % der Studierenden insgesamt und sogar 76 % der Studierenden, die allein oder nur mit anderen Studierenden zusammenwohnen, in Armut. Zwischen Juli 2021 und Juli 2023 sind die Lebensmittelpreise im Schnitt um ca. 27 % gestiegen, die Strompreise um 35 %, Erdgas um 94 % und Heizöl um 44 %. Insgesamt verzeichnet der Verbraucherpreisindex in dieser Zeit einen Anstieg von 15,4 %. [Destatis]

 

6. Die Vertragsparteien werden in der nächsten Tarifrunde erneut u.a. über die Anpassung der Mindestentgelte verhandeln.

Dieser Passus garantiert zwar, dass in der nächsten Tarifrunde im November 2025 erneut über studentische Beschäftigte verhandelt wird, lässt aber ansonsten alles offen. Er ermöglicht Verhandlungen über weitere Konditionen oder sogar die Aufnahme in den Tarifvertrag. Es ist aber ebenso möglich, dass die Regelungen im Laufe der Verhandlungen wieder gänzlich gestrichen werden! Wir vermuten, dass die Arbeitgeberseite gezielt darauf setzt, dass die TVStud-Bewegung innerhalb der zwei Jahre Tariflaufzeit ihr Momentum verliert, so dass man deren Forderungen in den kommenden Verhandlungen nicht mehr berücksichtigen muss. Das muss unbedingt verhindert werden!

 

FAQ der TVStud-Bewegung zum Verhandlungsergebnis: https://tvstud.de/faq-zum-verhandlungsergebnis/

Neben der bundesweiten TVStud-Vernetzung (Telegram) existiert auch eine sachsenweite Gruppe (Telegram) sowie Ortsgruppen in Chemnitz, Dresden und Leipzig. Weitere lokale Initiativen sind auf der Website der Bewegung unter https://tvstud.de/lokale-initiativen/ zu finden. Freiberg hat bisher keine Ortsgruppe, aber was nicht ist, kann ja noch werden.

 

Weitere allgemeine Ergebnisse der Tarifverhandlungen (gelten nicht für SHK/WHK)

Forderung

Ergebnis

Laufzeit des Tarifvertrags von 12 Monaten – danach erneute Verhandlungen

Laufzeit des Tarifvertrags von 25 Monaten – danach erneute Verhandlungen

Lohnerhöhung um 10,5 %

Insgesamt mindestens 500 €

Umsetzung innerhalb von 12 Monaten

Lohnerhöhung zum 01.11.24 um 200 €

Lohnerhöhung zum 01.02.25 um 5,5 %

Insgesamt mindestens 340 €

→ Es ergeben sich innerhalb der 25 Monate Laufzeit Lohnerhöhungen zwischen 8 und 16 % je nach Einstufung (durchschnittlich 11 %)

200 € mehr Monatslohn für Azubis

Umsetzung innerhalb von 12 Monaten

100 € mehr Monatslohn für Azubis ab 01.11.24

50 € mehr Monatslohn für Azubis ab 01.02.25

→ 150 € mehr Monatslohn, Umsetzung innerhalb von 25 Monaten

 

Auszahlung eines Inflationsausgleichs

  • 1800 € (Netto) Einmalzahlung, schnellstmöglich
  • Weitere 1200 € (Netto) als monatliche Zahlungen zu je 120 € von Januar 2024 bis Oktober 2024

Besonders die doppelte Vertragslaufzeit relativiert den Vertragsabschluss. Seit dem letzten Tarifabschluss 2022 ergibt sich ein Reallohnverlust für die Beschäftigten im TV-L von etwa 10,4 % (2,8 % Lohnsteigerung gegen 13,2 % kumulierte Inflation). Daher auch die Forderung nach 10,5 %, die lediglich ein Ausgleich des Reallohnverlustes bedeutet und keine Lohnsteigerung. Der bis heute schon eingetretene Reallohnverlust wird mit dem Tarifabschluss erst bis Ende 2025 wieder ausgeglichen – also zwei Jahre verzögert. Damit der Reallohn stabil bleibt, dürfte es 2024 und 2025 keine Inflation geben (Inflationsrate von 0 %). Das ist unrealistisch. Aktuelle Prognosen für 2024 beschreiben Inflationsraten in Deutschland zwischen 2 und 3,5 %. Nehmen wir für 2025 eine ähnliche Rate an, ergäbe sich in der Laufzeit des Vertrags also ein Reallohnverlust von ca. 5 %.

Die insgesamt 3000 € Inflationsausgleich werden an dieser Stelle sicherlich entlasten, stellen aber keine dauerhafte Lohnerhöhung dar. Die Preise hingegen werden nicht zurückgehen, eine entsprechende Deflation ist nicht zu erwarten. Die Prämie hilft also nur kurzfristig. Sie ist auch keine Grundlage für die weitere Lohnentwicklung in den kommenden Verhandlungen im November 2025.

 


Alle Angaben ohne Gewähr.

Euer Referat Hochschulpolitik